Erstattungspraxis Wundprodukte – Folgen in der ambulanten Versorgung?

Das abrupte Ende der Regierungskoalition hat zur Folge, dass eine wichtige Entscheidung für die Wundversorgung nicht im Parlament verabschiedet werden kann: Die Verlängerung der Übergangsfrist für den Nachweis des Nutzens von „sonstigen Produkten zur Wundversorgung“ (sPzW). Dies sind Produkte wie zum Beispiel die meisten antimikrobiellen Wundauflagen (z. B. mit Silber oder PHMB) sowie sogenannte „nicht formstabile Zubereitungen“ wie Hydrogele. Infolgedessen ist zu erwarten, dass ab dem 2. Dezember 2024 diese Wundauflagen im ambulanten Bereich nicht mehr von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) erstattet werden und Versorgungslücken entstehen.

Im Interview gibt Dr. Günter Gerhardt, niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin und Innere Medizin sowie Vorsitzender der Landesseniorenvertretung Rheinland-Pfalz, Wendelsheim, einen Überblick über die potenziellen Auswirkungen der aktuellen Erstattungsregelung auf die Wundversorgung im ambulanten Bereich.

 

Die Übergangsfrist für den Nachweis sonstiger Produkte zur Wundbehandlung endet offiziell am 2. Dezember 2024, wenn nicht noch kurzfristig über eine Verlängerung entschieden wird. Wie beurteilen Sie die Situation als niedergelassener Facharzt im ambulanten Bereich?

Dr. Gerhardt: Eine Verlängerung der Übergangsfrist wäre enorm wichtig, um eine nahtlose Versorgung der Patient:innen auch nach der Entlassung aus der Klinik sicherzustellen. Viele Patient:innen werden in der Klinik z. B. mit silberhaltigen Wundauflagen behandelt, die dort verfügbar sind. Sollte die Erstattung dieser antimikrobiellen Wundauflagen im ambulanten Bereich entfallen, wäre nach der Entlassung aus der Klinik eine Umstellung auf andere Wundversorgungsprodukte erforderlich. Dies könnte zu Versorgungsbrüchen führen, den Heilungsprozess verzögern und zusätzliche Herausforderungen für Ärzt:innen, Pflegekräfte und Patient:innen mit sich bringen.

 

Welche Folgen kann ein Versorgungsbruch in der Wundbehandlung haben?

Dr. Gerhardt: Ein Versorgungsbruch in der Wundbehandlung kann schwerwiegende medizinische und wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen. Wird die Therapie, mit der die Patient:innen in der Klinik erfolgreich behandelt wurden, nach der Entlassung nicht fortgeführt – etwa, weil die benötigten Produkte im ambulanten Bereich nicht verfügbar oder erstattungsfähig sind – kann sich der Heilungsprozess erheblich verzögern. Dies führt zu längeren Krankheitszeiten, zusätzlichen medizinische Komplikationen und einer spürbaren Einschränkung der Lebensqualität. Gleichzeitig steigen die Kosten für das Gesundheitssystem, da aufwendigere und längere Behandlungen erforderlich werden. Um diese Risiken zu minimieren, ist es entscheidend, dass die Behandlung von der Klinik in den ambulanten Bereich nahtlos übergeht und die notwendigen Produkte uneingeschränkt verfügbar bleiben. 


Welche Lösung bietet sich an, wenn z.B. die silberhaltigen Wundversorungsprodukte wegfallen sollten?

In diesem Fall könnte auf Produkte wie beispielsweise UrgoClean zurückgegriffen werden. Dank ihrer speziellen Beschaffenheit reinigen sie die Wunde kontinuierlich und tragen dazu bei, Wundbeläge effektiv zu entfernen. Zudem sind sie zusätzlich zur antiinfektiven Standardtherapie von Wunden geeignet, die ein erhöhtes Risiko für lokale Infektionen aufweisen oder bereits Anzeichen einer solchen Infektion zeigen. Durch ihre vielseitige Einsetzbarkeit und langfristige Erstattungsfähigkeit bieten sie eine nachhaltige Lösung, die sowohl die Versorgungssicherheit als auch die Therapiequalität unterstützt.

 

Der G-BA hat das IQWiG mit einer wissenschaftlichen Ausarbeitung zu klinischen Studien im Therapiegebiet „Wundbehandlung“ mit einer Fokussierung auf eine Bewertung der Endpunkte beauftragt – was wäre Ihnen aus Sicht der ambulanten Versorgung und der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden besonders wichtig? Was halten Sie von der bisherigen Bewertung von Endpunkten wie dem Wundverschluss?

Dr. Gerhardt: Der Fokus auf den Wundverschluss allein ist unrealistisch, vor allem bei älteren Patient:innen mit mehreren Erkrankungen, die zudem häufig in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. In solchen Fällen rückt das Thema Lebensqualität zunehmend in den Vordergrund. Klinische Studien sind sehr wichtig, doch der Alltag zeigt mir immer wieder, wie wichtig es ist, Aspekte wie Infektionskontrolle, Schmerzlinderung und den Umgang mit Wundgeruch stärker zu berücksichtigen. Diese patientenorientierten Endpunkte stehen leider noch nicht auf einer Stufe mit dem Wundverschluss.

 

Was wünschen Sie sich von der Politik, um die Situation zu verbessern?

Dr. Gerhardt: Zunächst, dass Ärzt:innen die Freiheit haben, die beste Therapie anzuwenden, ohne Angst vor Regressforderungen. Außerdem sollten Anreize geschaffen werden, die chronische Wundversorgung zu fördern, z. B. durch bessere Honorierung und gezielte Fortbildungen.

 

Wie könnten solche Fortbildungen aussehen?

Dr. Gerhardt: Am besten eignen sich Präsenzveranstaltungen. Online-Seminare reichen oft nicht aus, um praktische Themen wie Verbandwechsel oder Kompressionstherapie anschaulich genug zu vermitteln. Wir brauchen praxisnahe Formate, die nicht nur aktuelles Wissen rund um das moderne Wundmanagement vermitteln, sondern auch mit praktischen Übungen die erforderlichen Fähigkeiten trainieren und festigen. Ein positives Beispiel hierfür ist der Ulkus- und Kompressionstag der URGO Foundation. Diese Fortbildungsveranstaltung bietet Ärzt:innen und Gesundheitsfachkräften die Möglichkeit, theoretisches Wissen direkt mit praktischen Anwendungen zu verknüpfen, den Austausch mit Kolleg:innen zu fördern und konkrete Lösungen für den Berufsalltag zu entwickeln.

 

Sie sind seit vielen Jahren als niedergelassener Facharzt im Bereich der Wundversorgung engagiert. Was ist Ihnen in Bezug auf die Wundversorgung besonders wichtig?

Dr. Gerhardt: Wir müssen klarstellen, dass effektive Behandlungsmaßnahmen, auch wenn sie zunächst teurer erscheinen, langfristig Kosten sparen. Das Gesundheitssystem sollte daher verstärkt auf Qualität und Nachhaltigkeit setzen. Falls die Verlängerung nicht umgesetzt wird und nachweislich wirksame Produkte im ambulanten Bereich nicht mehr durch die GKV erstattungsfähig werden, werden wir uns weiter dafür einsetzen, die Versorgung von Wundpatient:innen zu verbessern. In einem solchen Fall wird das ohnehin zentrale Thema der Wundreinigung noch bedeutsamer, insbesondere zur Vermeidung von Infektionen – wie es auch in den Leitlinien empfohlen wird.

 

Zusammenfassung

Die Übergangsfrist für den Nachweis des Nutzens „sonstiger Produkte zur Wundversorgung“ endet am 2. Dezember 2024, sofern keine Verlängerung beschlossen wird. Dadurch könnten antimikrobielle Wundauflagen wie solche mit Silber und PHMB sowie Hydrogele im ambulanten Bereich künftig nicht mehr von der GKV erstattet werden, was zu Versorgungsbrüchen führen könnte, wenn Patient:innen nach dem Klinikaufenthalt auf andere Produkte umgestellt werden müssten. Es wird auf mögliche Verzögerungen im Heilungsprozess und eine höhere Belastung des medizinischen Personals hingewiesen, was wiederum die Lebensqualität der Betroffenen einschränken könnte. Daher ist die Wundreinigung und Infektionsprävention entscheidend.

Für die Versorgung von Wunden mit einem Risiko oder Anzeichen einer lokalen Infektion werden Produkte wie UrgoClean empfohlen, die eine effektive und langfristig erstattungsfähige Lösung darstellen.

Ein kritischer Aspekt ist der derzeitige Fokus auf Studienendpunkte wie den Wundverschluss, während patientenorientierte Kriterien wie Lebensqualität und Schmerzlinderung mehr Beachtung finden sollten. Zudem wird eine verbesserte Vergütung in der Wundversorgung sowie praxisorientierte Fortbildungsangebote gefordert.