Herausforderungen und Chancen im Homecare-Therapiemanagement
Im Rahmen eines Interviews gewährt Dennis Giesfeldt, Leiter Projekt-/Versorgungsmanagement und Digitalisierung beim Verband Versorgungsmanagement Homecare e.V. (VVHC), spannende Einblicke in die aktuellen Herausforderungen und Lösungsansätze in der modernen Wundversorgung. Homecare-Unternehmen spielen dabei eine zentrale Rolle: Sie verbinden medizinische Expertise, innovative Produktlösungen und patientenorientiertes Management, um eine ganzheitliche und nachhaltige Versorgung sicherzustellen. Im Gespräch werden nicht nur die Aufgaben und Potenziale des Homecare-Therapiemanagements beleuchtet, sondern auch aktuelle politische Entwicklungen und deren Auswirkungen auf die Versorgung sowie die Handlungsbedarfe für die Zukunft diskutiert.
Welche Aufgaben stemmen Homecare-Unternehmen in der Wundversorgung?
Dennis Giesfeldt: Homecare-Unternehmen sind unverzichtbare Partner in der rehabilitativen Versorgung zu Hause, insbesondere bei der Überwindung von Einschränkungen durch physiologische Behinderungen. Mit unserem spezialisierten Homecare-Therapiemanagement, vor allem in der Wundversorgung, leisten wir einen essenziellen Beitrag zur Sicherstellung einer lückenlosen, nachhaltigen Therapie im häuslichen Umfeld der Patient:innen.
Durch die Kombination aus fachpflegerischer Therapieassistenz und einem effizienten Versorgungs- und Supply-Management gleichen wir die Defizite aus, die durch die individuellen Beeinträchtigungen der Patient:innen entstehen. Wir sorgen nicht nur für die bedarfsgerechte Bereitstellung moderner Wundauflagen, sondern befähigen Angehörige, Pflegekräfte in der ambulanten und stationären Versorgung sowie Patient:innen selbst durch gezielte Schulungen zur korrekten Anwendung der Therapiemittel (Hilfsmittel, Arzneimittel, Verbandmittel).
Darüber hinaus übernehmen wir die Dokumentation des gesamten Therapieverlaufs und koordinieren die Kommunikation zwischen Ärzt:innen, Pflegekräften und Patient:innen. Dieses integrative und hausarztzentrierte Vorgehen stellt sicher, dass alle Beteiligten optimal vernetzt sind und der Therapieerfolg langfristig gesichert wird.
Was sollte eine optimale Wundtherapie berücksichtigen?
Dennis Giesfeldt: Eine optimale Wundtherapie im Rahmen des Homecare-Therapiemanagements berücksichtigt den gesamten Handlungs- und Heilungsbedarf des Patienten mit dem Ziel, bestehende Behinderungen auszugleichen und die Lebensqualität nachhaltig zu erhöhen.
Dabei geht die Versorgung weit über die Auswahl der richtigen Wundauflagen hinaus. Essenziell sind eine umfassende fachpflegerische Betreuung, das kontinuierliche Versorgungs- und Supply Management sowie das Empowerment des Patienten, um ihn aktiv in den Therapieprozess einzubinden und seine Selbstständigkeit zu fördern. Die Koordinierung erfolgt in enger Abstimmung mit anderen Akteuren im Versorgungssystem, wie behandelnden Ärzt:innen und spezialisierten Fachkräften.
Das Homecare-Therapiemanagement sorgt dafür, dass die Therapie leitlinienbasiert, individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt und ressourcenschonend gestaltet wird. Damit werden Unter- und Überversorgungen vermieden.
Welchen Beitrag leisten die innovativen Wundauflagen in der Versorgung?
Dennis Giesfeldt: Aus fachpflegerischer Perspektive sind innovative Wundauflagen weit mehr als medizinische Produkte – sie sind essenzielle Bausteine einer ganzheitlichen Versorgung. Durch ihre spezifischen Eigenschaften unterstützen sie den Heilungsprozess aktiv, verhindern Komplikationen und tragen maßgeblich zur Stabilisierung des Gesundheitszustands bei. Gleichzeitig entlasten sie Pflegekräfte durch vereinfachte Handhabung und verlängerte Wechselintervalle. In der Praxis ermöglichen sie eine präzisere, individuell abgestimmte Behandlung, die sowohl Patient:innen als auch Pflegepersonal zugutekommt.
Im Rahmen eines integrierten Homecare-Therapiemanagements entfalten solche Produkte ihr volles Potenzial: Sie verbinden innovative Technologie mit fachpflegerischer Expertise und ermöglichen eine lückenlose Versorgungskette – von der Klinik bis ins häusliche Umfeld. Dies stärkt die Versorgungssicherheit und verbessert nachhaltig die Lebensqualität der Betroffenen.
Die Bundesregierung wollte eine Verlängerung der Übergangsfrist für die Erstattung sonstiger Produkte zur Wundbehandlung beschließen, die durch den Koalitionsbruch jedoch nicht mehr kommt – wie bewerten Sie das und welche Konsequenzen sehen Sie für die Versorgung und Ihre Mitgliedsunternehmen?
Dennis Giesfeldt: Die fehlende Verlängerung der Übergangsfrist ist eine Katastrophe mit Ansage für die Versorgung. Viele bewährte Produkte drohen aus dem Leistungskatalog zu fallen, obwohl sie eine entscheidende Rolle in der Behandlung spielen. Welche
konkreten Folgen dies für die Patient:innen, das Therapiemanagement und unsere Mitglieder haben wird, lässt sich derzeit weder vollständig absehen noch genau ermessen. Klar ist jedoch, dass auf allen Seiten massive Unsicherheiten drohen.
Gerade im Homecare-Therapiemanagement, das auf die enge Verzahnung von Produktinnovation, fachpflegerischer Expertise und kontinuierlicher Versorgung angewiesen ist, könnten schwerwiegende Versorgungslücken entstehen. Hinzu kommt, dass wir in diesem komplexen System auch auf andere Akteure wie die verordnenden Ärzt:innen angewiesen sind. Die bereits bestehende Unsicherheit wurde durch unklare und teils missverständliche Kommunikation aus maßgeblichen Stellen zusätzlich verschärft, was notwendige Prozesse unnötig verkompliziert hat.
Patient:innen, die auf individuell abgestimmte, bewährte Therapien angewiesen sind, verdienen eine verlässliche und hochwertige Versorgung – keine Unsicherheit und keine Kompromisse. Es besteht dringender Handlungsbedarf, um die Kontinuität der Versorgung sicherzustellen und vermeidbare Härten abzuwenden.
Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie?
Dennis Giesfeldt: Ein zentrales Problem im Wundmanagement ist die fehlende verlässliche Anerkennung des Homecare-Therapiemanagements, insbesondere in den Verträgen der Krankenkassen. Die fachpflegerische Therapieassistenz, die eine essenzielle Rolle bei der Versorgung komplexer Wundsituationen spielt, wird wegen fehlenden gesetzlichen Grundlagen nicht ausreichend berücksichtigt. Es drohen erhebliche Lücken in der Versorgung zu entstehen, wenn wir hier nicht politisch entgegenwirken.
Darüber hinaus müssen wir uns mehr für die Relevanz von Homecare einsetzen, da die Bedeutung unserer Rolle im Versorgungsprozess oftmals nicht anerkannt wird.
Sind damit alle Probleme gelöst, oder welche weiteren Herausforderungen sehen Sie?
Dennis Giesfeldt: Nein, damit sind noch lange nicht alle Probleme gelöst. Wir stehen auch vor der Herausforderung, die Finanzierung innovativer Therapien im Homecare-Therapiemanagement langfristig zu sichern. Ohne diese zuvor beschriebene Anerkennung des Homecare-Therapiemanagement droht diese essenzielle Leistung zum Opfer der Sparzwänge der Haushaltspolitiker zu werden, wodurch wichtige Akteure in der Behandlung von Patienten mit komplexen Wundsituationen unzureichend berücksichtigt werden.
Was wären Ihre Lösungsansätze, die Sie in Richtung der nächsten Bundesregierung formulieren würden?
Dennis Giesfeldt: Wir brauchen eine klare Verlängerung der Übergangsfrist für erstattungsfähige Produkte. Die nächste Bundesregierung sollte zudem die Qualifikation der bestehenden Fachkräfte im Homecare-Bereich bei innovativen Versorgungskonzepten stärker berücksichtigen.
Als Voraussetzung brauchen eine verbindliche gesetzliche Anerkennung der fachpflegerischen Therapieassistenz und dem Homecare-Therapiemanagement, um die Rolle der Pflegekräfte im Wundmanagement zu stärken und ihre Expertise in den bestehenden Versorgungsprozess besser zu integrieren. Dies würde nicht nur die Qualität der Versorgung verbessern, sondern auch die Effizienz und Nachhaltigkeit der Behandlung im Homecare-Bereich sichern.
Die Wundversorgung ist ein essenzieller Bestandteil der Gesundheitsversorgung und steht vor großen Herausforderungen.